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Blondine gegen Blondine

Samstagabende können impertinenter nicht sein. Entweder lockt die wallende Lockenpracht Thomas Gottschalk Pseudo-Stars aufs „Wetten, dass … ?“-Sofa, Günther Jauch zockt um ein paar Millionen in seiner „5 Millionen SKL Show“ oder eben Stefan Raab gibt mal wieder die Hölle auf Erden frei. „Schlag den Raab“ heißt das Prinzip dann – was nicht bedeutet, dass jenes „schlagen“ auf den Zuschauer übergibt. Der wird dann meistens nur mit Langeweile bestraft.

Schöner als die mittlerweile siebte Ausgabe des grenzdebil blödeligen Machwerks der Fernsehunterhaltung, war und ist allerwenigstens eine Zusammenfassung darüber. Da stehen im Schmöker der „Süddeutschen“ fast elitär literarische Ergüsse gegenüber, tanzen Limerick und Sonett, innerer Monolog und Kommentar, Kinderlied und Fabel, Hexameter und Haiku. Manchmal wirkt das auch bizarr, aber immerhin: Literatur als Hohelied auf die morbide Fernsehlandschaft.

Filme, die nicht von den Persönlichkeiten handeln, von denen sie eigentlich handeln sollten

We are all Bob Dylan

Von oben links: Marcus Carl Franklin, Cate Blanchett, Ben Whishaw; Von unten: Christian Bale, Heath Ledger, Richard Gere.

Wenn ein Vertreter, wie Todd Haynes „I’m not there“, einen kompletten Blutrausch der Kritiker verursacht, die im Grunde alles Lebendige gern mit Worten umbringen, wenn Musiker einen Film gutheißen, obwohl dieselben nie zuvor einen Film über ihre Person gutgeheißen haben, wenn es solch mannigfaltige Beweise über die Stärke eines Werkes gibt, dass die Zeichen der Zeit mit den Augen rollen, dann, ja dann, handelt es sich wahrhaft um einen Kandidaten für die Ewigkeit. Allerdings überschwemmt der Siedepunkt aller Kandidaten eine Welle von Gewinnern (meist einer) und Verlierern (meist viele), die einander belächeln, die eine Seite voll Trauer verzerrtem Gesicht, die andere dem Weinerlichen vollständig entzogen. Das Lächeln ist ein Prädikat für den guten Film, für den brillanten, für den tragischen, dramatischen, unterhaltsamen, folgerichtig: für alles. Wenn aber gleichzeitig alles gut ist, darf es gleichsam weder Gewinner, noch Verlierer geben, Gut und Böse, Recht und Unrecht. Zumindest Hollywood verstand dies, nachdem sie im Jahre 1989 erstmals die Formulierung „And the Oscar goes to …“ verwendeten, nicht den abgesetzten Slogan „And the winner is …“. So manch einem Star mag das noch nicht erzählt worden sein, blicken sie dennoch bitter drein, obwohl sie keine Verlierer der Runde sind. Todd Haynes allerdings, sollte sich genau merken, was nach diesen fünf Worten ertönt, denn zumindest alles davor bleibt für seine Person unwichtig.

Damit Schein und Sein auch in Hinblick auf Haynes gelüftet werden, sei soviel gesagt: Sein Bob-Dylan-Biopic ist kein Bob-Dylan-Biopic. Denn obgleich „I’m not there“ als jener blutrünstiger Adelsschlag verkauft wird, der Geschichte malträtiert und sich über sie echauffiert:

Todd Haynes’s Dylan film isn’t about Dylan. That’s what’s going to be so difficult for people to understand. That’s what’s going to make „I’m Not There“ so trying for the really diehard Dylanists. That’s what might upset the non-Dylanists, who may find it hard to figure out why he bothered to make it at all. And that’s why it took Haynes so long to get it made. Haynes was trying to make a Dylan film that is, instead, what Dylan is all about, as he sees it, which is changing, transforming, killing off one Dylan and moving to the next, shedding his artistic skin to stay alive. The twist is that to not be about Dylan can also be said to be true to the subject Dylan. „These so-called connoisseurs of Bob Dylan music, I don’t feel they know a thing or have any inkling of who I am or what I’m about,“ Dylan himself told an interviewer in 2001. „It’s ludicrous, humorous and sad that such people have spent so much of their time thinking about who? Me? Get a life please. . . . You’re wasting you own.“ It might sound like a parlor game, or like cheating on Haynes’s part, but to make sense in a film about Dylan would make no sense. „If I told you what our music is really about, we’d probably all get arrested,“ Dylan once said. (New York Times)

Gott bloggt, hier, da, überall

Das wussten sicher einige, auch wenn nicht wie vermutet Frau Soraly sich den Namen Gottes einverleibt, sondern ein Herr auf anderer Seite. Dafür ist bloggen, welch scheußliches Wort nebenbei, jetzt in den Heiligenstand eingetreten. Ein Hallelujah dafür. Und eines hinzu für das mutige Püppchen Sally Field, die in den heutigen frühen Morgenstunden den würdigen Fernsehvetter der „Oscars“, einen „Emmy“ (Dr. T. Le Vision – wie Gott diesen Namen lieben würde – berichtete live), für „Brothers & Sisters“ empfing und sogleich eine wunderschöne Rede sprach, die in einer leisen Abfuhr und hochgezogener Kamera endete. Sie verschwand mit den Worten

„If mothers ruled the world, there would be no god-damned wars in the first place.“

von der Bildfläche. Ein Abgesang auf den Irakkrieg, wie ihn Mütter und Söhne schon viel zu lange erlebt haben.

Ein Geruch von Nirgendwo

Und er war doch weniger als ein pelziger Emmentaler auf eine weiche, ebenso flauschige Scheibe Toastbrot gedrückt; er war nur noch grün und stank grauenvoller als die paar toten Frauen auf den Beifahrersitzen, wie sie den heißen Reifen in ihren nunmehr kaum makellosen Gesichtern spürten. Sei ein rausgerissenes Auge in „Kill Bill Vol. 2“ (wie ein Punkt und eine Zahl einen großartigen Titel nur spalten können) genug, „Death Proof“, ein Schinken von einem Käse, bot gerade genug, den amerikanischen Kritiker James Rocchi zu einem derart gelungenen Wort zu veranlassen, dass Quentin Tarantino selbst nie eingefallen wäre: jibber-jabber. Gehört das nicht zu jenen Schöpfungen, die direkt ins Deutsche übernommen werden sollten?

„It’s Tarantino jibber-jabber – quick and juicy and deadpan and blunt and baroque – but it’s jibber-jabber nonetheless, minor time-filler between a few moments of twisted-metal glory or twisted-humor bleakness that make you sit up in your seat. Watching Death Proof is a bit like watching a stadium-filling rockstar play the Guitar Hero videogame – they’re probably doing it well, and there’s probably a few challenges in it, and they’re really enjoying themselves – you just wish you could be watching them actually play guitar.“ (Vollständige Kritik auf „Cinematical“)

And jogging – is that French?

„Here I am at home and all I do is sit and write. When I read things about this Julie Delpy character – she writes, she acts, she sings – she sounds fabulous. As if she’s running around, doing exciting things, dressed in a tutu: ‘Ah, it’s Tuesday, I’m going to put on my tutu and dance around the apartment.’ So why do I feel my life is so boring? So why am I sitting here in front of this screen? And, sadly, not wearing a tutu.“

Julie Delpy (Überraschung) spricht. Über ihren neuen Film, Zahlen in Filmtiteln und Sarkozy.