Archiv für Dezember 2006

Ein perfektes System oder wie man sich am Tod eines Menschen ergötzen kann

Capital punishment kills immediately, whereas lifetime imprisonment does so slowly. Which executioner is more humane? The one who kills you in a few minutes, or the one who wrests your life from you in the course of many years? – (Anton Pavlovich Chekhov)

Am 30. Dezember 2006 starb Saddam Hussein den Tod durch den Strang. Heute, einen Tag darauf, durfte man auf YouTube die ersten Videos seiner Exekution beobachten. Zum Ersten: Ich habe keine einzige dieser Aufnahmen angesehen. Zum Zweiten: Ich werde keine dieser Aufnahmen ansehen. Zum Dritten: Ich verurteile jeden, der, ob er nun für dieses Todesurteil gestimmt hat oder nicht, ob er nun Gerechtigkeit (was auch immer dieses Wort in der heutigen Zeit bedeuten mag) widerfahren sieht durch Husseins Ableben oder nicht, jeden, der die letzten Sekunden im Leben eines Menschen anglotzt und sich seiner eigenen Abartigkeit dabei nicht bewusst wird.

Was sind wir für Lebewesen, das wir über das Leben eines anderen richten dürfen? Was sind wir für niedrige Gestalten, dass wir Recht von Unrecht unterscheiden meinen zu können, Gut und Böse, Schwarz und Weiß? Die Wahrheit ist, weder können wir mit Sicherheit unterscheiden, noch sollten wir es. Der Tod eines Menschen (und bei Gott, Saddam Hussein war, egal welche Taten er in seinem Leben gegangen hat, ein Mensch, wie, auch falls dieser Vergleich langsam langweilig wird, es auch Hitler war) ist kein Medienereignis. Natürlich möchte die ach so geliebte Medienwelt den großen Schaukasteneffekt erzielen, „hier, seht her, das ist ein Toter, er starb langsam und qualvoll, wie auch seine Opfer langsam und qualvoll starben, die exklusiven Bilder schossen unsere Reporter vor kurzem“, Zeitungen ihre Auflagen erhöhen, die fette Beute machen. Die Todesstrafe eignet sich hervorragend für die Klatschpresse, obwohl sie in vielen Ländern abgeschafft ist. In vielen, bei weitem nicht in allen.

Strafe? Ist der Tod eine höhere Strafe als das Leben mit den begangenen Sünden? Oder ist diese „Strafe“ viel eher das Zeichen eines geschlagenen Systems, dem keine besseren Lösungen einfallen? Man stelle sich den lebenslangen Aufenthalt eines Hussein im Gefängnis vor. Man stelle sich die Ausgaben des Staates vor. Essen, Trinken, eine eigene Zelle. Das kostet natürlich Geld, für Präsident Bush höchstwahrscheinlich ebenfalls ein guter Grund Husseins Urteil zu befürworten. Eine „gerechte Strafe“, meinte er. Mhh, dürfte man meinen, Bush wüsste den Sinn von Gerechtigkeit?

Fakt ist, Tod kann nicht durch Tod ausgeglichen werden. Verständlich ist ein gewisser Rachedurst der Verbliebenen von Opfern, verständlich ist der Wunsch nach einer angemessenen „Strafe“ gegenüber dem Täter. Der rationale Menschenverstand sollte in solchen Situationen jedoch nicht aus dem Fenster geworfen werden. Die Todesstrafe ist eine schrecklich unnütze Art und Weise Gerechtigkeit zu erwirken. Es gibt weitaus schlimmeres als den Tod. Islamistische Terroristen verzerren sich geradezu danach willige Jungfrauen im Himmel zu verzerren. Darüber sollte man nachdenken und sich ernsthaft fragen, ob der Tod jemals einen Menschen abschrecken würde zu töten.

(Hollywoods Traumindustrie wägt nach diesem Ende einer Lebensgeschichte vermutlich schon den nächsten Blockbuster ab – das Publikum wird hineinströmen, wieder und wieder)

Six Years After Millenium – Der Rückblick

Das Jahr geht langsam vorüber, Bestenlisten stehen an, es wird sich geärgert, schöne Erinnerungen steigen auf, ganz wie es 12 Monate bereithielten. Es geht auch ein Kinojahr vorüber. Die Frage ob es besser oder schlechter war, drängt sich mir persönlich zumindest nicht auf, egal welche Qualitäten die gesamte Filmschar vorzuweisen hatte, eines wird es immer geben: wunderbare Perlen, nicht immer Independent, meist jedoch eher unbekannter Natur, die verzaubern, einem das Herz erwärmen und besonders eines ganz deutlich zeigen: der Film lebt noch immer, wird noch immer weiter leben, solange er das Besondere nicht verliert, seinen ganz besonderen Charme, der in seiner vollsten Blüte nur im Kino bewundert werden kann.

Normalerweise würden an dieser Stelle zehn Filme in aller Höhe gelobt werden, am liebsten mit dem „schwächsten“ dieser Auswahl beginnend, doch wo steht der Sinn dieser Aufzählung? Am Ende sieht man auf meiner Excel-Auswertungstabelle (die mit allem möglichen Schnickschnack ausgerüstet ist – dazu aber wann anders) 40 Filme. 40, mal mehr gute, mal mehr schlechte. Einen einzigen bereue ich, denn wenn es schon keinen besten Film gibt, einen schlechten, ja, den habe ich sehr wohl parat: Der DaVinci Code (Sakrileg), jedes Wort schmerzt mir in meiner Seele, jeder Cent im Geldbeutel, im Grunde würde alles auf einen Zerriss hinaus laufen. Ich mochte den Film nicht, dieses inspirationslose Gewurschtel von Ron Howard, mit dem schauerlichen Tom Hanks und der quirligen Audrey Tautou in den Hauptrollen. Dieser filmische Erguss trieb den Zorn in mich.

Nach dem Hass kam das Mittelmaß, wenig erwähnenswerte Schinken, weder im Kino, noch auf DVD der Bringer. Manches plätscherte dahin, das Wort „reine Zeitverschwendung“ trifft die Lage gut, treffender beschreibt allerdings ein schlichtes „pff“ die Sinnlosigkeit dieses Unterfangens. Lange Nachwirkungen musste man wenigstens nicht fürchten, sonst würden die lieben Tierchen aus „Ab durch die Hecke“ jetzt auf dem Friedhof der Kuscheltiere herum lungern. „Das Parfüm“ demnach immer noch beim netten Händler nebenan stehen. Und Modetechnisch gibt’s ja eh nix zu sagen (der Teufel trägt wahrscheinlich Chucks und einen Hoody, und lümmelt selbstverständlich mit einer Packung Chips auf dem Sofa).

Leichte Besserung trat wenn dann Anfang und Ende des Jahres ein. Im schwitzigen Sommer, Fußball-WM sei dank, hielten sich deutsche Verleiher penetrant zurück, auch nur einen einzigen überzeugenden Hit zu vermelden. Sieht man von der Penelope, die recht sehenswert, allerdings kein Meisterwerk war, ab, bleibt nicht viel, eher schnöde Langeweile, eine Zeit, die sich gut zum Entspannen eignete. Diese Gelassenheit sollte bitter nötig werden, spätestens ab Ende November. Einen Streich auf den anderen setzte man noch vorweihnachtlich, zum Glück nicht in den Sand. In München erfreute sich das Asia-Filmfest großer Beliebtheit und bot einige Hits aus fremden Kulturen und Ländern auf, darunter auch den chinesischen Oscarbeitrag für den besten fremdsprachigen Film, „Riding Alone for Thousands of Miles„, der mit melancholischer Atmosphäre in den Bann zog. Der chinesische „Brokeback Mountain“ mit Frauen, „Die Töchter des chinesischen Gärtners“ (Start hierzulande offiziell im April 07), dagegen konnte nicht vollends überzeugen, die Gefühlswelt der Leidenden blieb zu sehr in den Protagonisten versteckt.

Die letzten Monate boten vielfältige Kost, kein Genre blieb wirklich ungedeckt, harte Männeraction paarte sich mühelos mit steppenden Pinguinen. Der neue Bond, zweifellos ein im vorhinein zweispaltiges Erfreunis, erfüllte selbst Hartgesottene Fans mit Freudentränen in den Augen, Frauenherzen ließ der grobe Daniel Craig mit dem weichen Kern erweichen, die Wiederkehr eines alten Haudegen glückte. Tränen in den Augen verursachte ebenfalls die wunderbare Komödie „Little Miss Sunshine„, mit diesen kuriosen Figuren kann ein Film nur funktionieren und bei einem solch hervorragend witzigen Ende ist ein Lächeln beim Gang aus dem Kinosaal vorprogrammiert. Ähnliche Gefühlsregungen durfte man bei Scorseses Neuem nicht erwarten, mit gewohnter Härte und Qualität stapft er dafür geradewegs auf einen endlich realen Oscarsieg zu. Ein anderer Herr sollte die Hoffnungen nicht aufgeben, seine vollständige Trilogie über das menschliche Zusammenleben würde in jedem Fall die Jahre überdauern.

Fast vergessen die Zeit bis April, die Zeit der Oscarschinken, der „anspruchsvollen“ Literatur. Das mag nicht an den schlechten Filmen liegen, denn das waren sie keinesfalls, allerdings immer dasselbe sehen? Wahrlich, das kann man nicht behaupten. Die irrtümlich schwule Cowboy-Geschichte faszinierte mit wundervollen Kameraeinstellungen, einem countryesken Soundtrack und Jungdarstellern, die sich sehen lassen können. Truman Capote schrieb bis um äußersten, die Stasi spionierte wieder, Cash was on the road again, politisch ging es heiß her.

Wo sollte man sich beschweren? Vielleicht bei sich selbst, vielleicht bei der fehlenden Zeit, aber keineswegs bei einem schlechten Kinojahr. Die Meisterwerke bestanden. „Der Film lebt noch immer„.

„The Departed“ und „Letters from Iwo Jima“ räumen weiter ab

Der Trend für den besten Film zeichnet sich weiter ab. Kein „Babel“ oder „The Queen“, kein Drama wird dieses Mal eine Chance besitzen gegen die extrem starken „The Departed“ und „Letters from Iwo Jima“. Beide, der Cop-Thriller und der Kriegsfilm, entstanden unter Führung zweier Altmeister, Martin Scorsese und Clint Eastwood, zwei die den Kampf unter sich entscheiden werden. Die „Chicago Film Critics“ setzte sie beide auf den Thron:

  • Bester Film: The Departed
  • Bester ausländischer Film: Letters from Iwo Jima
  • Bester Regisseur: Martin Scorsese – The Departed
  • Bestes Original-Drehbuch: Peter Morgan – The Queen
  • Bestes adaptiertes Drehbuch: William Monahan – The Departed
  • Bester Hauptdarsteller: Forest Whitaker – The Last King of Scotland
  • Beste Hauptdarstellerin: Helen Mirren – The Queen
  • Bester Nebendarsteller: Jackie Earle Haley – Little Children
  • Beste Nebendarstellerin: Rinko Kikuchi – Babel
  • Bester Dokumentarfilm: An inconvenient Truth
  • Beste Kamera: Children of Men
  • Beste Filmmusik: The Fountain

Pro7 Blockbuster 2007

Wie Ende jeden Jahres stellt Pro7 seine Topfilme für die kommenden 12 Monate vor. Dabei wartet 2007 mit zwei Fortsetzungen, dem Animationsfilm „Shrek 2“ und dem Superhelden-Epos „Spiderman 2“ auf, vermutlich zu Ostern mit der blutrünstigen Gibson-Verfilmung „Passion Christi„, gewalttätig weiter geht es mit dem ersten Teil der sadistischen „Saw„-Filme. Die kindlich putzige Richtung wird mit dem Erfolgsfilm „Findet Nemo“ angeschlagen, für alle Action-Freunde bietet das Programm den düsteren „Hellboy“ und Denzel Washington in „Man on Fire“ (14.01.07, 22:20-01:00). Passend zur Oscarzeit sollte „Million Dollar Baby“ anspruchsvolle Filmliebhaber erfreuen (bei einem Sieg Eastwoods in der Königskategorie noch passender), falls nicht wie dieses Jahr ihnen ihre Zeitplanung ein Schnippchen schlägt (Chicago wurde kurz darauf als Free-TV-Premiere ausgestrahlt).

High-Res Oscar-Poster

Zahlreiche Zitate konnten selbst auf der Miniversion des Oscar-Plakates schon entziffert werden (Hier nachzulesen), doch mit dem Erscheinen dieser Variante ist auch der Rest problemlos zu erkennen (merkwürdiger Weise sind die am Kleinsten gedruckten die Besten):

  • “An Englishman never jokes about a wager, sir.” (“Around the World in 80 Days”)
  • “Do I ice ‘er? Do I marry ‘er?” (“Prizzi’s Honor”)
  • “Don’t jive me, man.“ („Ray“)
  • “Frailty, thy name is woman!” (“Hamlet”)
  • “My momma always said, ‘Life was like a box of chocolates. You never know what you’re gonna get’.” (“Forrest Gump”)
  • “No, a golf course is nothing but a pool room moved outdoors.” (“Going My Way”)
  • “One’s too many an’a hundred’s not enough!” (“The Lost Weekend”)
  • “Shut up! Shut up and take the pain! Take the pain!” (“Platoon”)
  • “Such stupidity is without equal in the entire history of human relations.” (“Gigi”)
  • “Ten minutes to Wapner.” (“Rain Man”)
  • “The truth, Helen, is always the right answer.” (“Schindler’s List”)
  • “Think you used enough dynamite there, Butch?” (“Butch Cassidy and the Sundance Kid”)
  • “Von Trapp children don’t play. They march.” (“The Sound of Music”)
  • “Wanna dance or would you rather just suck face?” (“On Golden Pond”)
  • “We’re going to kick the hell out of him all the time and we’re going to go through him like crap through a goose.” (“Patton”)
  • “Well, what am I? I’m a private no-class dogface. The way most civilians look at that, that’s two steps up from nothin’.” (“From Here to Eternity”)
  • “When you’re in love with a married man you shouldn’t wear mascara.” (“The Appartment”)
  • “Wind in the hair! Lead in the pencil.” (“Terms of Endearment”)
  • “You don’t throw a whole life away just ‘cause it’s banged up a little.” (“Seabiscuit”)
  • “You don’t want much. You just want the moon, with parsley!” (“Gentleman’s Agreement”)
  • „It is widely held that too much wine will dull a man’s desire. Indeed it will – in a dull man.“ („Tom Jones“)
  • „Remember those posters that said, „Today is the first day of the rest of your life?“ Well, that’s true of every day except one – the day you die.” (“American Beauty”)
  • „Stanley, ya see this? This is this. This ain’t something else.” (“The Deer Hunter”)