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Auf der anderen Seite ein Allerweltsfilm

22 Sprachen für Deutschland

Die größte Ehre eines deutschen Films ist die, im Ausland gefallen zu finden. Gut und gerne kann somit gleich gewisser Egoismus vorhergesagt werden, ein Perfektionismus, neben Schwermut, Arroganz und Einsilbigkeit. Aber es bedarf Anmaßung, dem Film von Fatih Akin auch nur eine Unterstellung zuzuraunen. Sein Beitrag über die einfühlsame, wie schlagartige Reise zwischen Deutschen und Türken, Liebe und Hass, Leben und Tod, zeigt gewiss den Teufel der Moderne in prickelnder Cinematographie auf. „Auf der anderen Seite“ fühlt der Zuschauer bittere Kälte und derbe Barmherzigkeit. Globalisiertes Kino nennt sich diese Art von Zumutung, ein Drehen und Wenden des Drehbuchs unter ächzenden Gebärden verlassener Charaktere. Die kämpfen für ein „Zusammen“, bis gen Ende die Trennung bestehen bleibt.

Die internationale Jury des Filmpreises „Lux“ sah ebenso die Wahrheit hinter grobstichigen Gebilden offenherziger Emotionen, und wählte; wählte für die kulturelle Vielfalt Europas, Werte und Moral aus 800 europäischen Filmen einen aus, der gesondert den Sinn des Preises verstand: „Auf der anderen Seite“. Ein Titel, wie er für die Auszeichnung im Buche steht, die vom Europaparlament vergegeben wird. Ein Titel, der Grenzen setzt und sie bekannt macht. So standen in der Endauswahl auch Cristian Mungius mit der goldenen Palme ausgezeichnetes Abtreibungsdrama „4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage“ und „Belle Toujours“ von Manoel de Olivera, wohlgemerkt zwei ebenso willkommene Preisträger.

Das gerade „Auf der anderen Seite“ gewann, mag an seiner Struktur des Episodenfilms liegen, seinem Beitrag unterschiedlicher Dramaturgie und Denkweise im Gegensatz amerikanischer Pendants, den Filmen von Alejandro Gonzalez Inarritu, Paul Haggis, Robert Altman. Inarritus „Babel“ allerdings bleibt Akins Werk am Nächsten, weswegen nicht umsonst die Trophäe in Form eines Turms dargestellt wurde – genauer dem Reichtum sprachlicher Vielfalt, den der Turmbau zu Babel verkörperte. Es steht der Preis für eine erfrischende Prise. Mit dem Zusatz, dass der „Gewinner“ in 22 Sprachen der EU-Amtssprachen untertitelt wird.

Zum Glück ist das nur der Beginn: „Auf der anderen Seite“ tritt im Rennen um eine Nominierung bei den „Acadamy Awards“ an. Wieder gegen „4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage“. Gewinnen kann wiederum nur einer.

Eine Band im Sand

Niemand holte sie ab. Dabei sollte das kleine alexandrinische Polizeiorchester eine Geste der Annäherung zwischen Israelis und Arabern überbringen; ihre Lieder spielen, die Politik umkrempeln, zumindest doch abseits aller Predigten den Ursprung menschlichen Zusammenhalts formen. Wo sie ankamen, lag letztendlich anderswo: weite Prärie, verlassene Straßen, Staub glich Staub. Eran Kolirins „Die Band von Nebenan“ („The Band’s Visit“) landete im Sand, verlassenen Mären, fern ihres eigentlichen Zieles. Enttäuscht blickten sie reihum.

Die Band von Nebenan

Oftmals liegen Film und Realität Meilen voneinander entfernt, offerieren Botschaften, halten sie nicht und witzeln, lachen, aber ohne ihren Kern zu offenbaren. Den Trugschluss lässt Kolirins Film in der zuckersüßen Bitterkeit von Mannen zurück, die verlassen fern ihres Zieles landen und genau dort – überrascht in ihren bald abkömmlichen Wogen der Enttäuschung -, ihr Ziel finden. Es geht um Völkerverständigung. Ebenso darum, dass jene fehlschlagen kann; ebenso um die Verbrüderung zweier Länder, die einander nicht verstehen wollen, nicht verstehen können, nicht verstehen würden, sofern sie es auch versuchen. Die Wahrheit hinter „Die Band von Nebenan“ gleicht der Realität. Denn soviel dieser israelischen Komödie, die leicht, locker, mehr eine Tragikkomödie ohne Tragik ist, überlebt den Film – leider. „Selbst der Kleinste vermag den Lauf des Schicksals zu verändern“, vermochte Galadriel, Herrin von Lothlorien im „Herrn der Ringe“ zu sagen und wie wahr, wenn nicht für Kolirins Film gesprochen.

Eigentlich, ja eigentlich, sollte „Die Band von Nebenan“ ihrer Lieblichkeit und umwerfenden Kritiken treu bleiben, den „Oscar“ für den „Besten fremdsprachigen Film“ 2008 gewinnen und Israel einen Hoffnungsschimmer geben. Eigentlich sollte ein Film gewinnen, der einem Land tatsächlich ein Gewinn sein sollte; eigentlich sollte Film etwas bewirken. Umwerfende Kritiken, umgeworfene Kritiker gewannen den Kampf gegen verwerfliche Kritiker dennoch nicht. Was „Der Band von Nebenan“ alles vorgeworfen wurde: Einzig zu Englisch sollte er sein. Weil die Verständigung der Völker auch in den hinterwäldlerischen Dörfern zwischen Arabern und Israels ist Englisch stattfand. Man höre und staune, dass einem Film aufgrund hart gesottener Egoisten sein größter Erfolg in Hollywood, weltweiter Ruhm, Bekanntheit, verwehrt bleibt. Weil er zu mehr als 50 Prozent seine Dialoge auf Englisch führt; weil die „Academy“ dagegen steht, da deren Reglement ausländischen Filmen die Gewalt entzieht, wie sehr er als fremdsprachig, „ausländisch“ gewertet wird.

Die Definition besagt, dass „a foreign language film is defined, for Academy Award purposes, as a feature-length motion picture produced outside the United States of America with a predominantly non-English dialogue track“. Die wahre Dominanz des Systems hält ausländische Filme von einer Kandidatur unter altbackenen Ausreden ab, die der Filmkultur Mittel und Wege verwehren auch den kleinsten der kleinsten Vertreter eines Landes ein Publikum zu beschaffen. Hier werden Linien gezogen, ohne den Vorwand künstlerischer Beschaffenheiten noch zu wahren. Lediglich das amerikanische Kino soll gewinnen, obwohl seit Jahren der Tenor abseits des Mainstream stärker in den Mittelpunkt rückt und auch der Zuschauer kaum belehrt werden muss, ein Wagnis einzugehen, sollte einmal ein unbekannter Film mit unbekanntem Regisseur, Schauspielern in die Kinosäle ziehen. Die Problematik liegt in Amerika. Vielleicht sollte Michael Moore einen Film drehen, Al Gore ein Machtwort sprechen, der seither als Gott aller Landstriche gilt.

Stattdessen bedrängen Propagandakriege die freischaffenden Wurzeln der Kunst. Dafür „Beaufort“, ein Film über israelische Soldaten, für Israel an den Start geht; Politik mit Politik bekämpft wird.

Die Hälfte des Mannes

Informationen müssen zurück gehalten werden – manchmal. So sah und sieht es momentan mit dem vermutlichen Kandidaten für den „Besten fremdsprachigen Film“ Israels bei den „Acadamy Awards“ aus, der bereits in großer Munde war: „The Band’s Visit“. Mit der hervorragenden Botschaft seiner Teilnahme bewegt das restliche Feld ein Raunen und Stöhnen, das kaum zu bremsen ist und seine Erschöpfung in der kleinen Winzigkeit findet, die seine israelischen Rivalen ausschöpfen. Seine Dialoge nämlich nutzt das Mär von einem verlorenen Polizeiorchester zu einem Großteil Englisch als Hauptsprache; somit dürfte „The Band’s Visit“ laut dem offiziellem Reglement der „Oscars“ in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ nicht antreten. Wie allerdings ist der Unterschied zwischen 49 Prozent und 51 Prozent fremdsprachiger Dialoge zu bemessen? Zählt die Minute oder Sekunde? Zählen Wörter statt Silben? Schreien Rivalen lauter als exzellente Kandidaten?

Ein Faktum steht fest in Stein gemeißelt: „The Band’s Visit“ ist ein solch gigantischer kleiner wunderbarer Auftritt israelischen Kinos, dass es wahrlich eine Schande wäre, ihn so hanebüchen die Teilnahme zu verwehren. Es wäre die siebte Nominierung, es wäre der erste Gewinn für Israel.

Zaubertricks, die keiner kennt

Können Sie sich das noch vorstellen: zwischen Masken, die wie zweite Häute einen Schutzüberzug des Schauspielers bildeten, kramte stundenlang eine Tuschefrau voll des Eifers, ein Prachtwerk von einem Gesicht zu fertigen. Wie Tiere aussehend, sollten die teuer bezahlten Schauspieler eine dicke Schicht Creme und Puder tragen, damit der letzte Pickel abgestanden und die winzige Laus reißaus genommen hatte. Bald sahen sie Geistern ähnlicher noch als Menschen und das poröse Äußere wurde zu einer zweifelhaften Bandage, die ein Kleistern und ein Winden vor sich zog. Das gestopfte Karnickel von Schauspieler fiel und lief dann im Bilde herum, bis der Schweiß alle Mühe ruinierte und wie ein Klebestreifen auf den Boden verstrich. Doch Gestank vergeht.

Für Sie, lieber Regisseur, liebe Tuschefrau gibt es einen Ratschlag, den Sie sich im Hier und Heute zu Herzen nehmen sollten: Setzen Sie ihr Filmbild doch aus dem Computer zusammen. Machen Sie es wie Herr David Fincher, der Morast, wappernde Schädel, Blut und Speichel aus einer blauen Seenlandschaft zu runder Realität werden ließ. Dem feindlichen Gemenge zum Trotz, die all das grüne und blaue Gewand wieder und wieder für ihre elektrische Farce belächelten. Niemals hätte eine Stimme bei „Zodiac – Die Spur des Killers“ der unechten Bildsprache wegen geschrieen. Nun sehen und blenden Sie: Herr Fincher erhöhte in einer Kategorie, die ihm nicht gehörte, seine Siegchancen. Beste Spezialeffekte, dem Meister sein Fach.

Punk is not ded.

Gesprochen, zerronnen. Zerrt sich doch allerhand in die Latschen des Oscars. Fatih Akin für Deutschland mit „Auf der anderen Seite“ jedoch steht im Winde einer übersinnlichen Macht: „Persepolis“.

Persepolis

Marjane ist acht Jahre alt, als der Schah aus dem Iran vertrieben wird und die Mullahs die Macht an sich reißen. Fortschritt und Freiheit bleiben auf der Strecke, als im Zuge der Islamischen Revolution Tausende im Gefängnis landen und Frauen gezwungen werden, Kopftücher zu tragen. Doch die rebellische Marjane denkt gar nicht daran, sich dem rigiden Regelwerk zu unterwerfen. Viel lieber entdeckt sie Punk, ABBA und Iron Maiden und macht erste Erfahrungen mit Jungs. Sie ahnt nicht, dass ihr spielerischer Protest gefährlich ist – nicht nur für sie selbst, sondern auch für ihre Familie. „Persepolis“ ist erstens ungewöhnlich, zweitens außerordentlich und drittens ausländisch. Wenn da nicht die kleine Stimme am Rande schreiend steht und in einem Singsang leise bemerkt, dass „Persepolis“ genauestens wohl aus Frankreich stammt, den schwarz und weißen scheinheiligen Kontrast bevorzugt und sonst die Autorität eines Graphic Novels besitzt, wohl, weil er auf einem Comic, so sagt es doch das Klima frei heraus, basiert.

Seine Brillanz fordert einen haushohen Sprung in die Nominierten des „fremdsprachigen Film“, in jedem Falle, nicht nur in seine Teilnehmerliste aus Frankreich; doch eine Märchenhochzeit ist aus Gewinnern und prunkvollen Streifen gemacht, die manches Mal so unheimlich gut sind, dass alles Gold erzittert und vor Funkeln im Halse stecken bleibt.